Potentialorientierte Psychotherapie 2.0

Potentialorientierte Psychotherapie

 

Im Folgenden möchte ich versuchen, Ihnen meine grundlegenden Methoden und Konzepte vorzustellen. Aufzeigen, was mich besonders beeinflusst hat und in meine Arbeit einfließt. Dies ist kein leichtes Unterfangen, ich hoffe jedoch, dass Sie Sich hier ein ungefähres Bild machen können.

Ich halte ich mich für einen Eklektiker, der die Wahrheit eher im verbundenen Diskurs zwischen verschiedenen Theorien und Schulen findet, denn in der Einengung einer einzelnen Schule. Mich treibt ein hohes Bedürfnis zur Integration an.

Potentialorientierte Psychotherapie

Ich habe eine dreijährige Therapieausbildung in potentialorientierter Psychotherapie absolviert. Sie ist eine Variante der humanistischen Psychotherapie und wurde von Wolf Büntig gegründet. Dies war eine sehr erfahrungsreiche Zeit, in der viele Grundsteine meiner heutigen Arbeit gelegt wurden. Geblieben ist vor allem die grundsätzliche, humanistische Haltung, die Qualitäten der Offenheit, des Interesses und der gesunder Neugier, Wahrheitsliebe und Mut zur Konfrontation bei hoher Empathie. Erweitert (2.0?) hat sie sich durch den Weg, den ich seither gegangen bin.

Die Potentialorienterte Psychotherapie richtet sich an Menschen, die

  • an dem inneren Konflikt zwischen übermäßiger Anpassung an die Normen anderer (Normopathie) einerseits und dem Bedürfnis nach Selbstbestimmung (Autonomie) andererseits leiden oder gar krank geworden sind,
  • Krise, Leiden und Krankheit als Herausforderung erleben, eigene Möglichkeiten und Fähigkeiten nicht länger fremden Vorstellungen zuliebe zu unterdrücken, und
  • Symptome als Wegweiser in die wesensgemäße Richtung werten entsprechend der Devise "Angst ist Lust, der man keine Richtung gibt".

“Die verbindliche Beziehung zwingt uns am meisten, der zu werden, der wir sind, weil wir es dort am wenigstens aushalten, so zu tun, als wären wir ein Anderer.”

(Wolf Büntig)

Theorie Erfahrung Haltungen 900

Bild: ein kleiner Versuch, die Bausteine meiner Arbeit in einer Übersicht darzustellen

Fühlen anstatt Gefühle haben

Eine zentrale Rolle kommt in der Potentialorientierten Psychotherapie dem Fühlen zu.

Das Fühlen ist – im Gegensatz zu den unbewussten und unwillkürlichen Gefühlsreaktionen, die durch unspezifische Reize reflexartig und der Situation meist unangemessen ausgelöst werden – ein bewusstes Handeln in der Gegenwart.

Fühlen bedeutet, mit Sinnen wahrzunehmen (zu spüren), was uns im Inneren bewegt. Und dieser inneren Bewegung situationsbezogen eine angemessene Bedeutung zu geben.

Aktiv zu Fühlen kann es Ihnen erlauben, zunehmend

  • die Prägung durch die Bedingungen ihrer Sozialisierung zu erkennen,
  • sich von der Identifikation mit der eigenen Geschichte zu lösen,
  • situationsgemäß und adaptiv zu handeln,
  • wahrzunehmen, was jetzt gerade wahr ist, anstatt was wahr sein soll,
  • zum Zeugen des gegenwärtigen unbedingten Seins zu werden.

Erfahren und Erleben anstatt logische Argumente

"Es gibt zweierlei Wissen, Wissen durch Beweisführung und Wissen aus Erfahrung. Die Beweisführung führt zu Schlussfolgerungen und zwingt uns, dieselben anzuerkennen. Sie beseitigt aber weder den Zweifel noch führt sie zu jener Gewissheit, in der der Geist in Frieden ruhen könnte, es sei denn, diese (Gewissheit) käme durch Erfahrung zustande."

Roger Bacon, ca. 1214–1292

Psychotherapie und auch Coaching versuchen Räume zur Verfügung zu stellen, in denen Sie sich erfahren können. In denen Sie erleben können, wie Sie Ihre je eigene Welt tagtäglich (neu) konstruieren. Es gibt große Unterschiede zwischen theoretischem Wissen und tatsächlicher Erfahrung.

Die potentialorientierte Psychotherapie versucht die Auswirkungen der eigenen Wirklichkeitskonstruktion nicht nur theoretisch zu erläutern, sondern sie in ihren Auswirkungen erfahrbar zu machen.

Quelle: http://www.zist.de/arbeit/inhalt_arbeit_basis.html

Achtsamkeit und Achtsamkeitsforschung

John Kabbat-Zinn ist es zu verdanken, dass er die Achtsamkeit aus spirituellen Traditionen herausgelöst und somit auch für Menschen zugänglich gemacht hat, die sich lieber an Wissen und Wissenschaft halten. Achtsamkeit als Konzept wurde so unabhängig vom Glauben. Befreit vom Ballast religiöser Überzeugungen für manche, aber auch ohne die moralische und ethische Einbettung, die nicht außer Acht gelassen werden soll.

Achtsamkeit wurde zunächst in der Psychotherapie zunehmend zentral und hat mittlerweile ihren Weg in die Wirtschaft und die Gesundheits- und Präventionsprogramme vieler großer Unternehmen gefunden. Dies wäre vor 15 Jahren noch absolut undenkbar gewesen.

Seit über 25 Jahren meditiere ich und übe verschiedene Methoden der Achtsamkeit. Dies hat sowohl mein eigenes Leben, aber auch meine Arbeit tief beeinflusst. Achtsamkeit ist für mich die vielleicht zentralste Voraussetzung für persönliches Wachstum und gesunde, nachhaltige Veränderungen.

Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie

Die von Sigmund Freuds Psychoanalyse abgeleitete tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie kann dabei helfen, in frühen Beziehungen erworbene Fixierungen in Wahrnehmung, Fühlen, Denken und Handeln zu erkennen und ihre Passung auf die aktuelle Lebenssituation in Frage zu stellen. Widerstand gegen Veränderung wird hier als Übertragung seinerzeit sinnvoller Abwehrreaktionen in die Gegenwart erkannt. Der Therapeut und die Beziehung zu ihm können dabei helfen, eigene Sichtweisen zu erweitern und sich auf neue Erfahrungen einzulassen, die einen Gegenpol zu frühen Erfahrungen entstehen lassen.

Gestalttherapie

Wichtige Impulse in meiner Arbeit kommen aus der von Fritz und Lore Perls entwickelten Gestalttherapie. Damals wurden Elemente aus Psychoanalyse, Gestaltpsychologie, Reichscher Charakterkunde und Existenzialismus integriert. Im Zentrum der Aufmerksamkeit liegt der gegenwärtige Moment und die Beziehung des Klienten zu sich selbst und seiner Umwelt. Methodisch gehört hierzu vor allem die Stuhlarbeit, das Arbeiten mit verschiedenen inneren Anteilen und das Herausarbeiten der Beziehung, die wir mit uns selbst führen. Gestalttherapie ist manchmal auch konfrontativ, weil sie darauf achtet, heilsamen Prozessen nicht auszuweichen.

Gewaltfreie Kommunikation

Mit dem von Marshall Rosenberg entwickelten System der Gewaltfreien Kommunikation setze ich mich seit vielen Jahren intensiv auseinander. Bereits während einer meiner frühen Indienreisen (1996) besuchte ich in Auroville zwei längere Workshops, in denen sehr intensiv gearbeitet wurde.

Die gewaltfreie Kommunikation ist für mich vor allem eine Methode zur Selbstreflexion, weniger ein Sprach- oder Kommunikationsmodell. Die Beschäftigung mit den dort gelehrten Inhalten kann sehr unterstützend sein, wenn man Verantwortung für sich selbst übernehmen möchte. Dies führt zu einer Änderung der Inneren Haltung, welche dann "ganz von selbst" zu einer anderen Verwendung von Sprache führt. 

Gleichwohl gibt Sie viele Beispiele und Hinweise, wie diese Sprache aussehen könnte.

Systemische Therapie und Coaching

Ich weiss nicht, wie viele Stunden ich Gunther Schmidt und Kollegen in den letzten 20 Jahren schon zugehört und zugeschaut habe. Wahrscheinlich schon weit über 200 Stunden. Komplette Ausbildungen sind mittlerweile in digitaler Form erhältlich. Sie waren ein ständiger Einfluss in den vergangenen Jahren. Viel Dank gilt auch hier meinen systemischen Kollegen, mit denen ich gemeinsam lernen durfte und die Vorteile unserer jeweiligen Schulen sich ergänzen durften. Lösungsorientierung und hypnosystemische Konzepte wurzeln mittlerweile tief in meiner Arbeit. 

Zentral ist mir hier vor allem der Konstruktivismus, die Autopoiesis von Systemen, die bereits aus dem alten Tantra bekannte Orientierung auf das Ziel, den erwünschten Zustand, der mit Ausrichtung darauf die Hindernisse meist gut in den Vordergrund stellt, so dass man an Ihnen arbeiten kann. Wir müssen nicht immer im Dreck und der Vergangenheit wühlen, wenn wir uns auf den gewünschten Zustand, das Ziel ausrichten, dann werden sich die Hindernisse von selbst offenbaren.

Körperpsychotherapie

Diese geht zurück auf Wilhelm Reich, Alexander Lowen, Karlfried Graf Dürckheim und Stanley Keleman. Ausgehend vom körperlich-seelischen Erleben in der Gegenwart werden mithilfe der Beobachtung von Atem, Haltung und Ausdrucksbewegungen chronische Verspannungen und Fehlhaltungen herausgearbeitet. Diese chronischen Verspannungen werden als muskulärer Versuch gewertet, frühe Erfahrungen zu bewältigen. Im weiteren Verlauf dann aber als Entwicklung und Beziehung hemmende Fixierungen verstanden. Oftmals kann in ihnen sogar ein Niederschlag früher Fremdbestimmung oder Selbsteinschränkung gefunden werden. Therapeutisch versuchen wir hier Haltungen und Spannungen bewusst zu verändern oder Verspannungen aufzulösen. Bei diesem Prozess wird Energie frei, welche dann für eine reife Lebensgestaltung genutzt werden kann.

Ericksonsche Hypnotherapie

Die Hypnotherapie nach Milton Erickson basiert auf einem tiefen Vertrauen in das menschliche Potential. Sie nutzt ein vielfältiges Repertoire an Interventionen (naturalistische Tranceinduktion, gezielte Dissoziation, indirekte Suggestion, und so weiter) für effiziente Kommunikation mit dem Unbewussten, um Kooperation mit dem Therapieprozess zu erwirken, im Unbewussten verborgene Ressourcen zu mobilisieren und über Metaphern, Anekdoten und Geschichten innere Ressourcen zu erschließen und für eine erfüllende Lebensgestaltung zur Verfügung zu stellen.

Familienstellen

Im Rahmen der dreijährigen Ausbildung und auch in meiner späteren klinischen Arbeit habe ich an vielen Familienaufstellungen teilgenommen und diese auch angeleitet. In meiner Einzelarbeit spielen diese Erfahrungen immer noch eine grosse Rolle, allerdings hat sich meine Art und Weise, damit zu arbeiten verändert. Auch im Familienstellen wird davon ausgegangen, dass Verleugnung und Verdrängung von Wahrheit – ob im individuellen Leben oder in Systemen – Lebenskraft kostet.

Im systemisch-phänomenologischen Familienstellen kann Verstrickung mit schwerem, mit großer Schuld belastetem oder nicht gewürdigtem Schicksal von Angehörigen eines Systems sichtbar gemacht werden. Ich habe dort gelernt, dass die entlastende Wirkung der Zuwendung zu einer ausgegrenzten Person oder der Anerkennung einer bislang geleugneten Wahrheit in Verbindung mit einem lösenden Satz manachmal aufzeigen kann, welche Haltung wir im Leben einnehmen könnten, die zu einer Lösung beitragen kann.

Es ist eine Sache, die förderliche Haltung zu finden, deren Integration in das alltägliche Leben kann mitunter sehr schwierig sein. Manchmal werden auch heftige Widerstände und Schutzmechanismen aktiv, die sich erst im Angesicht einer möglichen Lösung zeigen.

Somatic Experiencing®

Ich habe Peter Levine, den Gründer von Somatic Experiencing nie persönlich kennen gelernt. Seine bisher drei Bücher, eine Onlineausbildung, sowie fachlicher Austausch mit Kollegen, welche die Somatic Experiencing Ausbildung abgeschlossen haben, veränderten mein Verständnis von Traumen, ihrer körperlichen Verarbeitung und der bereits im Körper angelegten Selbstheilungsprozesse.

Die mitunter grundlegende Beobachtung von Peter Levines Arbeit bestand in der Erkenntnis, dass Tiere in freier Wildbahn nicht traumatisiert werden, weil sie die in auswegloser Situation sinnvolle Erstarrung nach überstandener Gefahr abschütteln können. Dass aber Menschen, mit ihren ausgeprägten Hirnfunktionen und mangels ausreichenden Halts den Schock in Haltemustern fixieren und chronifizieren.

Tiefe und andauernde Über- und Unterregulierung des autonomen Nervensystems können die Folgen sein.

Somatic Experiencing® hat mich gelehrt, einen natürlichen Selbstheilungsmechanismus anzuerkennen und zu fördern. Levine lehrt, dass im Trauma Energie gebunden ist. Mit der Verarbeitung kann Energie wieder frei werden, da sie nicht mehr zum Halten benötigt wird. Besonders verdanke ich den Lehren von Peter Levine die Methode des Pendelns. Einem genauen Tracking und einer möglichst verträglichen "Dosierung" des Heilungsprozesses, so dass Retraumatisierungen vermieden werden.

Spirituelle Schulen und Traditionen

Ich bin als Katholik groß geworden und war als Junge und Jugendlicher Ministrant. Schon sehr früh begann ich über den Tellerrand zu schauen. Danach zu schauen, wie andere Religionen und Spirituelle Schulen mit den Phänomenen des Mensch-Seins umgehen.

Buddhismus

Ich will den Buddhismus hier getrennt aufführen, da ich ihn schon länger kenne, als das Wort Achtsamkeit. Auch geht er weit über das hinaus, was Achtsamkeit heute bedeutet. Seit über 25 Jahren beschäftige ich mich mit verschiedenen Formen des Buddhismus. Manchmal mehr, manchmal weniger. Einige Jahre Zen-Meditationen, dann visualisierende Methoden aus dem tibetanischen Buddhismus, bis hin zur objektlosen Meditation. Die buddhistischen Lehrer und deren vermittelte Lehren über die Natur des Geistes haben mich tief beeinflusst.

Diamond Approach®

Mit dem Diamond Approach®, der von H. A. Almaas als Lehre und Methode zur Entwicklung von spiritueller Reife und Vollständigkeit der Person vermittelt wird, hatte ich mehrmals Kontakt. Im Rahmen von Wochenseminaren, in seinen Büchern, als auch wichtiger Einflussfaktor in meiner dreijährigen Ausbildung. Die Schule geht davon aus, dass auch in der modernen Welt lebende Menschen spirituelle Bedürfnisse haben. Sie stellt einen Versuch dar, psychologische und spirituelle Methoden zu integrieren. Sicher aber hat sie einen großen Augenmerk darauf gerichtet, dass spirituelle Entwicklung und Methodik ohne persönlich-biographische, sprich psychotherapeutische Arbeit oftmals an Grenzen stösst. Eine wichtige Inspiration aus dieser Schule war für mich die Definition und Benennung der essentiellen Qualitäten. 

"Grounded Spirituality" nach Jeff Brown

Text folgt ...

Ethnopsychotherapie

Der Blick über den Tellerrand hinaus - der Blick auf andere Kulturen und teilweise auch andere Zeiten war mir schon immer sehr wichtig. In meinen frühen Jahren als Teenager sicher als Symptom zu verstehen, dass ich den Eindruck hatte, die Lösung "hier" nicht finden zu können. Später immer wieder als wichtige Ergänzung und vor allem als Wegweiser und Fingerzeig auf unberücksichtigte Phänomene und wichtige Ergänzungen.

Hier ist vor allem der Zugang zu aussergewöhnlichen Bewusstseinszuständen als deutlicher Einfluss zu finden. In den Heiligenfelder Kliniken lernte ich das holotrope Atmen nach Stanislav Grof kennen und besuchte in Folge zwei Ausbildungskurse in Mexiko, eine Zeitlang führte ich mit zwei ärztlichen Kollegen Seminare zum holotropen Atmen durch. In anderen Kulturen wird Trance als wichtiges Kulturgut und zentrale Technik des Selbst gesehen und genutzt. Wichtige Mittel sind Musik, Tanz, Körperhaltungen und Atemtechniken. Bei Bedarf führe ich Trancen an, die durch Trommeln begleitet und getragen werden.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit - Intervision und Supervision

All meine Kollegen mit teilweise anderen Ausrichtungen und aus anderen Fachbereichen. Alle Krankenschwestern, Hausmeister, Mediziner, Fachärzte, Körpertherapeuten, Physiotherapeuten, Osteopathen, reine Systemiker, Verhaltenstherapeuten haben meine Sicht auf die Welt, auf meine Klienten und nicht zuletzt auf mich selbst immer wieder erweitert und beeinflusst. Ich bin all denen zutiefst dankbar, mit denen ich Gedanken und Gefühle austauschen konnte und die mit mir diskutiert haben. 10 Jahre enge Zusammenarbeit in interdisziplären Teams, in denen die Entwicklung und ganzheitliche Betrachtung der Klienten im Zentrum stand, waren eine Bereicherung für mich. Sowohl was den Wissensstand angeht, als auch immer wieder überraschende Einsichten und Metaphern.

Auch nach meiner klinischen Zeit, seit ich ambulant arbeite, ist dieser Austausch mit Kollegen sehr wichtig geblieben. Auch wenn wir heute nicht mehr über "gemeinsame" Klienten reden, die wir "gemeinsam" behandeln - heute intervidieren und supervidieren wir einander. Der fachliche Austausch, das fühlende Miteinander hat schon oft geholfen, meine Sichtweisen zu erweitern und Aspekte zu beachten, die ich mit zwei Augen, zwei Ohren, einem Herz und einem Körper alleine vielleicht übersehen hätte.